Doch kein Kenotaph!
Die Ende August erfolgreich abgeschlossene letzte Feldforschungskampagne auf dem jüngereisen- und älterkaiserzeitlichen Urnengräberfeld von Nienbüttel erbrachte spannende Ergebnisse, die ein immer differenzierteres Bild der Bestattungspraktiken und Jenseitsvorstellungen eisenzeitlicher Gruppen im Barbaricum zulassen. Neben drei Gräbern mit keramischen Urnen, die die weit überwiegende Mehrheit aller Bestattungen darstellen, konnte ein als Urne verwendetes Bronzegefäß aus dem Römischen Reich dokumentiert und im Block geborgen werden. Bislang ohne Vergleich ist dagegen eine Grubenstruktur, die eine große Menge teils großstückiger Keramik und Leichenbrand beinhaltete und von Waffendeponierungen flankiert wurde. Besonders bemerkenswert zeigte sich aber die großformatige Steinkonzentration, die bereits im März zu Teilen ausgegraben worden war. Es handelt sich um eine der von Gustav Schwantes zu Beginn des 19. Jh. als Kenotaphe, also Leer- oder Scheingräber bezeichneten Strukturen, da er in ihnen keine oder nur geringe Leichenbrandreste angetroffen hatte. Die Kategorie »Kenotaph« gilt es nun aber einer Revision zu unterziehen, denn in der jüngst ausgegrabenen Nienbütteler Steinansammlung, die ebenfalls von Waffendeponierungen begleitet wurde, fanden sich zwei Bronzegefäße, von denen mindestens eines als Urne verwendet worden war. Aktuell finden detaillierte Untersuchungen der im Block geborgenen Gefäße im Rahmen einer Summerschool mit Studierenden der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart (ABK) statt, die neue Erkenntnisse zum sozialen Status der verstorbenen Person und zur Rolle der rätselhaften Steinkonzentrationen als integrales Element des Gräberfeldes versprechen.