Bentumersiel – Römer und Germanen
Der auf dem westlichen Ufer der unteren Ems gelegene Siedlungsplatz Bentumersiel nimmt seit seiner Entdeckung im Jahre 1928 eine besondere Stellung innerhalb der archäologischen Forschung ein, da hier auch zahlreiche Gegenstände römischer Provenienz gefunden worden sind. Anscheinend hatte die Siedlung bei den Feldzügen des Germanicus 15/16 n. Chr. eine besondere Bedeutung für die römische Armee. Von 2006 bis 2008 fanden auf dem Fundplatz erneut archäologische Untersuchungen mit dem Ziel statt, die Funktion und Entwicklung der Siedlung detailliert zu ergründen. Das von E. Strahl koordinierte Projekt wird in Kooperation mit der Römisch-Germanischen Kommission, Frankfurt a. M., durchgeführt. Die Arbeiten wurden von der EWE-Stiftung, Oldenburg, gefördert und dem Zentrum für Arbeit des Landkreises Leer unterstützt.
Von dem Fundplatz sind u.a. Bruchstücke von Tondüsen von Schmelzherden sowie zahlreiche Gegenstände römischer Provenienz des 1.-2./3. Jh. n. Chr. bekannt. Aus dem frühen 1. Jh. n. Chr. stammen einige Metallfragmente von Ausrüstungsteilen römischer Legionäre; dazu Scherben von Amphoren bzw. römischer Schwerkeramik. Diese Funde sind mit den Feldzügen des Germanicus 15/16 n. Chr. in das Gebiet östlich der Ems in Verbindung zu bringen. Nach dem Bericht von Tacitus blieb die römische Flotte damals für die Dauer der Feldzüge am Unterlauf des Flusses zurück.
Keramikfunde und eine kleine Anzahl von bronzenen Objekten, die keltische Einflüsse erkennen lassen, lassen die Veremutzung zu, dass die Siedlung bereits im 3./2. Jh. v. Chr. gegründet worden ist. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand hat sie bis in das 4. Jh. n. Chr. bestanden. In diese Zeit datiert auch ein einzeln liegendes Brandgrab, das mit seinem reichen römischen Import eine große Besonderheit im westgermanischen Gebiet zwischen Weser und Rhein darstellt. Zu den Beigaben, die durch das Scheiterhaufenfeuer stark beschädigt worden sind, haben u. a. drei Bronzegefäße sowie neben Glasperlen wohl mehrere Glasgefäße gehört, wie Glasschmelze im Gewicht von fast 1 kg zeigt. Durch einen germanischen Dreilagenkamm ist die Bestattung in das frühe 4. Jh. n. Chr. datiert. Einige weitere ebenfalls ganz vereinzelt liegende Brandbestattungen gleicher Zeitstellung wurden vom Archäologischen Dienst der Ostfriesischen Landschaft bei Untersuchungen im unmittelbar nördlich an Bentumersiel gelegenen Bereich der Wurt Jemgumkloster freigelegt.
Spuren einer militärischen Anlage der Römer sind bei Bentumersiel jedoch bislang nicht entdeckt worden. Auf der Basis der Ausgrabungsergebnisse und im Vergleich mit ähnlichen flussufernahen Plätzen wie etwa der Siedlung Elsfleth-Hogenkamp, Ldkr. Wesermarsch, ist anzunehmen, dass bei Bentumersiel ein Umschlagplatz bzw. temporärer Marktplatz bestand, der im Einflußgebiet der Wurt Jengumkloster lag.
Literatur
- Jöns, H., 2009: Organisation of communication and exchange between the coastal area and the hinterland in Northern Germany during the 1st millennium AD. C. J. C. Reuvenslezing 21 (Amsterdam 2009).
- Jöns, H., 2009: Überlegungen zu Transport- und Kommunikationswegen des 1. Jahrtausends im nordwestdeutschen Nordseeküstengebiet. In: S. Brather, Geuenich u. C. Huth (Hrsg.), Historia Archaeologica. Festschrift für Heiko Steuer zum 70. Geburtstag.. RGA-Ergänzungsbände 70 (Berlin 2009) 389-414.
- Mückenberger, K., u. Strahl, E. , 2010: Ein Brandgrab des frühen 4. Jahrhunderts n. Chr. mit reichem römischen Import aus Bentumersiel, Lkr. Leer (Ostfriesland). – Archäologisches Korrespondenzblatt 39, 2009, 547-558.
- Strahl, E., 2009: Germanische Siedler - Römische Legionäre. Die Siedlung Bentumersiel im Reiderland. Varus - Kurier 11, 2009, 12-15.
- Strahl, E., 2011:Neue Forschungen zum germanischen „Stapelplatz“ von Bentumersiel an der unteren Ems / New research on the Germanic ‘emporium’ at Bentumersiel on the lower River Ems. – Siedlungs- und Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 34, 293-306.