Die Wurt Feddersen Wierde im Land Wursten, Ldkr. Cuxhaven

Mit der systematischen und großflächigen Untersuchung der Wurtensiedlung Feddersen Wierde, Ldkr. Cuxhaven durch das damalige Niedersächsische Landesinstitut für Marschen- und Wurtenforschung in Wilhelmshaven, wurde vor mehr als 60 Jahren in vielerlei Hinsicht Neuland betreten. Zum ersten und bis heute auch zum einzigen Mal wurde mit der Feddersen Wierde nicht nur eine große Dorfwurt in der Marsch an der südlichen Nordseeküste annähernd vollständig ausgegraben, sondern es wurden begleitend auch zahlreiche naturwissenschaftliche Untersuchungen zur Rekonstruktion der Umwelt und der wirtschaftlichen Verhältnisse durchgeführt. Diese von 1955 bis 1963 durchgeführten Forschungen werden deshalb sicherlich zu Recht allgemein als einer der wichtigsten Meilensteine in der interdisziplinären Siedlungsforschung des nordwestlichen Europas angesehen. Dabei konnte festgestellt werden, das die Wurt im 1. Jh. v. Chr. als Flachsiedlung gegründet wurde und dann vom 1. Jh. n. Chr. an mit einer Unterbrechung im späten 5. und im 6. Jh. n. Chr. bis in das ausgehende Mittelalter als Wurtensiedlung bestanden hat.

Im feuchten Boden der Marschen an der Nordseeküste erhalten sich Gegenstände aus organischen Materialien hervorragend. Dies bestätigte sich auch bei den Grabungen in der Feddersen Wierde eindrucksvoll. Dort hatten sich nahezu alle hölzernen Konstruktionen genauso wie Abfälle, Werkzeuge und Geräte aus Knochen, Geweih und anderen organischen Materialien, aber auch Überreste der Kleidung aus Wolle oder Leder erhalten und bilden damit zusammen mit den ebenfalls in großer Zahl aufgefundenen Objekten aus Keramik, Stein oder Metall ein einzigartiges und reichhaltiges Fundensemble, dessen detaillierte wissenschaftliche Untersuchung zahlreiche neue Erkenntnisse über das Leben in dieser Siedlung erbracht haben. Hervorzuheben ist außerdem, dass bei den Ausgrabungen zahlreiche Gegenstände römischer Provenienz geborgen wurden; sie zeigen, dass die Bewohner der Wurt über umfangreiche Kontakte in das römische Reich verfügten.

Auch wenn die Ausgrabungen bereits vor mehr als 60 Jahren abgeschlossen worden sind, gehen die Untersuchungen am Fundmaterial der Feddersen Wierde mit neuen Methoden immer weiter (vgl. Literatur). Zuletzt wurden die rund 1300 Knochen- und Geweihgeräte, im Rahmen eines vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) geförderten Projekts ausgewertet. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden von der Bearbeiterin K. Struckmeyer als Dissertation an der Universität Hamburg vorgelegt. Die dabei erzielten Ergebnisse wurden im Band 2 der Studien zur Landschafts- und Siedlungsgeschichte im südlichen Nordseegebiet (SLSN) veröffentlicht.

 

Literatur 

Haarnagel 1979: W. Haarnagel, Die Grabung Feddersen Wierde. Methode, Hausbau, Siedlungs- und Wirtschaftsformen sowie Sozialstruktur. Feddersen Wierde. Die Ergebnisse der Ausgrabung der vorgeschichtlichen Wurt Feddersen Wierde bei Bremerhaven in den Jahren 1955-1963. (Wiesbaden 1979).

Schmid, P., (2006): Die Keramikfunde der Grabung Feddersen Wierde (1. Jh. v. bis 5. Jh. n. Chr.), Probleme der Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 29; Feddersen Wierde 5. Oldenburg.

Schuster, J., 2006: Die Buntmetallfunde der Grabung Feddersen Wierde Chronologie - Chorologie - Technologie. Probleme der Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 30; Feddersen Wierde 6. Oldenburg.

Struckmeyer, K., (2011): Die Knochen- und Geweihgeräte der Feddersen Wierde. Gebrauchsspurenanalysen an Geräten von der Römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter und ethnoarchäologische Vergleiche. Feddersen Wierde 7. Studien zur Landschafts- und Siedlungsgeschichte im südlichen Nordseegebiet 2. Rahden/Westf.