Zum Hauptinhalt springen

Tengshausen – Interdisziplinäre Untersuchungen einer mittelalterlicher Häuptlingsburg im friesischen Küstengebiet

Die Burgstelle von Tengshausen liegt unmittelbar südlich der heutigen Küstenlinie bei Minsen im Wangerland, Ldkr. Friesland. Grundlegende Recherchen und erste Prospektionen zu dieser Fundstelle wurden bereits im Projekt „Manifestation der Macht – Burgenbau als Indiz gesellschaftlicher Transformationsprozesse im niedersächsischen Küstenraum“ durchgeführt. Diese Arbeiten machten deutlich, dass sich Tengshausen durch eine gute historische Überlieferung und durch über Jahrhunderte ungestörte Strukturen auszeichnet, die ein großes Potential für eingehendere Untersuchungen bieten. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt hat das Ziel, diesen Fundplatz unter Anwendung interdisziplinärer Methoden weiter zu erforschen. 

Im 14. Jahrhundert war die Küstenlinie im Umfeld der ehemaligen Befestigung durch heftige Sturmfluten bedroht und von schweren Landverlusten betroffen. Im Mittelalter bildete das Wangerland durch die im Westen angrenzende Harlebucht und die östlich gelegene Jademündung eine ausgedehnte Halbinsel. An deren Nordspitze und unmittelbar an einer alten Deichlinie gelegen befand sich im 15. und 16. Jahrhundert die historisch überlieferte Wohnstelle der Familie Dure. Noch heute ist hier eine knapp ein Meter hoch erhaltene Wurt von etwa 40 x 60 m Ausmaß mit Resten eines alten Grabensystems zu erkennen. Die Familie Dure von Tengshausen besaß durch enge Beziehungen zu der führenden Häuptlingsfamilie des Jeverlandes zunächst großes Ansehen und beteiligte sich überdies an Piraterie. 

Die Siedlungsstelle mit ihrer Burg in einer besonderen Lage an der zerklüfteten Küste und zwischen zwei alten Prielverläufen war daher sicherlich nicht zufällig gewählt. Das Grundstück wurde seit der Zerstörung der Befestigung im 16. Jahrhundert nicht wieder bebaut und bietet daher beste Voraussetzungen für gezielte Forschungen. Anhand geomagnetischer Untersuchungen ließen sich Details der obertägig nicht mehr sichtbaren Bebauung und der Befestigung unter der Erdoberfläche nachweisen. Die vorhandenen historischen und geophysikalischen Daten bilden eine optimale Grundlage für tiefergehende Forschungen. Mit geoinformationsgestützten, geophysikalischen sowie archäologischen und bodenkundlichen Untersuchungen sollen Informationen zum Aufbau und der Funktion dieser Burgstelle als Besitz der spätmittelalterlich belegten Elite im Wangerland in ihrem naturräumlichen Umfeld gewonnen werden. Gleichfalls sind dadurch wesentliche neue Einblicke zum Burgenbau in Kontext anderer küstennaher Regionen zu erwarten.

In zwei Ausgrabungskampagnen des Jahres 2025 wurde die Burgstelle untersucht: Das NIhK führte zusammen mit der Jugendbauhütte Niedersachsen ein Blockseminar durch, bei dem 24 junge Teilnehmende am Freiwilligen Sozialen Jahr in der Denkmalpflege mit archäologischen Arbeitsweisen vertraut gemacht wurden. Dabei konnten in Ausgrabungsschnitten und im Zuge geophysikalischer Prospektionen erste Befundstrukturen lokalisiert und in ihrer Funktion angesprochen werden. Darauf aufbauend wurde im September des Jahres eine Sommerakademie mit Fachstudenten der Universitäten Tübingen und Heidelberg durchgeführt. Dabei wurden mächtige Gräben mit komplexen Verfüllungen, Punktfundamente aus Backstein und ein Brunnen ausgegraben und dokumentiert. Zahlreiche Funde geben zusätzlich Einblicke in die Lebenswirklichkeit der damaligen Bewohner. Die Feldarbeiten wurden vor Ort von Stefan Krabath  und Thorsten Becker betreut.

Literatur:

Becker, T., Dallaserra, D., Hadré, E., Hüser, K. u. Krabath, S., 2021: Archäologische Spurensuche ohne Spatenstich: Von Gräben, Wällen und Backsteinen. Geophysikalische Prospektionen von Häuptlingsburgen der friesischen Halbinsel. Blog für Ost-Friesische Geschichte. Vermittlung und Diskussion historischer Kenntnisse zur ostfriesischen Halbinsel und den angrenzenden Gebieten (https://ostfrhist.hypotheses.org/246. 

Jürgens, J. L., 2025: Der verlorene Kampf eines Seeräubers in Friesland. Würzburg.

Krabath, S., Becker, T., Hüser, K. u. König, S., 2022: Gesellschaftlicher Wandel während des Mittelalters im Küstenraum zwischen Weser und Ems – archäologische, siedlungsgeografische und kunsthistorische Aspekte der Elitenbildung. Siedlungs- und Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 45, 167-226.

Salomon, A., 1987: Burgen und Häuptlinge im Wangerland. Jahrbuch der Gesellschaft für bildende Künste und vaterländische Altertümer zu Emden 67, 1987, 38-54.

Salomon, A., 2007: Tengshausen und seine Besitzer vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Historienkalender auf das Jahr 2007, 104-112.