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Kleidung und Lebenswelt um 700 n. Chr.: der Mann von Bernuthsfeld

Die im Moor bei Tannhausen (Landkreis Aurich) entdeckte Bestattung aus der Zeit um 700 n. Chr. ist einzigartig: Der Verstorbene wurde vollständig bekleidet beigesetzt, mit einem langen, auf die Oberschenkel reichenden Obergewand (Tunika), Fußbinden und einem großen, rechteckigen Mantelüberwurf, ergänzt durch weitere, kleinere Stücke. Seine Bekleidung aus Schafwolle gilt als eines der am besten erhaltenen Kleidungsensembles des frühen Mittelalters in Europa. Insbesondere seine aus Dutzenden Fragmenten zusammengesetzte Tunika hat seit der Entdeckung 1907 zu vielen Spekulationen geführt. Nun soll mit neuesten natur- und geisteswissenschaftlichen Methoden rekonstruiert werden, wer dieser Mann war, wie er lebte, wo und wann die Gewebe hergestellt und welche Bedeutung seine Kleidung hatte.

Das dreijährige Projekt „Qualität und Nachhaltigkeit um 700 AD: Die Kleidung des Mannes von Bernuthsfeld“ unter Leitung von Prof. Dr. Hauke Jöns wird im Rahmen des Förderprogramms Pro*Niedersachsen vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur gefördert und vom Kunst- und Kulturverein 1820dieKUNST, Emden, unterstützt, der diesen exzeptionellen Fund für die geplanten Analysen zur Verfügung stellt.

Die textilarchäologischen Untersuchungen am NIhK führt Dr. Susan Möller-Wiering durch, unterstützt von Dr. Katrin Struckmeyer, die die fotografische Dokumentation im Bereich der Mikroskopie übernimmt. Spannende Ergebnisse lassen auch die naturwissenschaftlichen Analysen wie Strontiumisotopenbestimmung, Farb- und Beizenanalysen sowie die 14C-Datierung einzelner Teile erwarten; sie werden in Kooperation mit den Reiss-Engelhorn-Museen und dem Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie, beide in Mannheim, durchgeführt. Große Bedeutung kommt dabei auch den Faseranalysen zu sowie der Untersuchung eines federhaltigen Textilfragmentes; für diese Aufgaben wurde Dr. Sylvia Mitschke von den Reiss-Engelhorn Museen Mannheim gewonnen. 

Weitere Partner und Unterstützer in diesem Projekt sind Jasmin Alley, M.A. vom Ostfriesischen Landesmuseum Emden, Dr. Annette Paetz gen. Schieck vom Deutschen Textilmuseum Krefeld sowie Dr. Jan Kegler von der Ostfriesischen Landschaft Aurich und ihre jeweiligen Institutionen. Die Ergebnisse werden in einem multimedialen Katalog zusammengefasst und sollen nicht nur die Forschung, sondern auch die museale Präsentation und Vermittlung dieses herausragenden Kulturerbes bereichern.

Literatur:

Farke 2001: H. Farke: A typical costume of the North German Iron Age? Some observations during conservation of the Bernuthsfeld 'plaid'. In: Penelope Walton Rogers, Lise Bender Jørgensen, Antoinette Rast-Eicher (Hrsg.): The Roman Textile Industry and its Influence – A Birthday Tribute to John Peter Wild. Oxbow Books (Oxford 2001), 129–136.

Heumüller / Kegler 2019: M. Heumüller, J. F. Kegler: Der Mann von Bernuthsfeld und seine Zeit. Die neue Ausstellung im Ostfriesischen Landesmuseum Emden. In: Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen. Nr. 4, 2016, 178–184.

Mitschke 2021: S. Mitschke: Material und Verarbeitung textiler Rohstoffe in der römischen Epoche. dx.doi.org/10.15496/publikation-53211 .

Püschel u.a. (Hrsg.) 2019: K. Püschel, E. Jopp-van Well, W. Jahn, H. Hassmann u. M. Schulz (Hrsg.), „Bernie“ – Die Moorleiche von Bernuthsfeld. Ergebnisse der interdisziplinären Erforschung und Rekonstruktion eines frühmittelalterlichen Fundkomplexes aus Ostfriesland. Materialhefte zur Archäologie Niedersachsens 57 (Rhaden/Westfalen 2019).

Tidow 1995: K. Tidow, Textiltechnische Untersuchungen an Wollgewebefunden aus friesischen Wurtensiedlungen von der Mitte des 7. bis zur Mitte des 13. Jhs. und Vergleiche mit Grab- und Siedlungsbefunden aus dem nördlichen Europa. Probleme der Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 23, 1995, 353–387.