Das Gräberfeld von Neu Wulmstorf-Elstorf (Ldkr. Harburg) – Untersuchungen zu frühmittelalterlichen Bestattungstraditionen des Niederelberaums unter besonderer Berücksichtigung der organischen Artefakte


Im Rahmen mehrerer Grabungskampagnen konnte das Archäologische Museum Hamburg (AMH) zwischen 2008 und 2016 bei Neuwulmstorf-Elstorf ein birituelles Gräberfeld weitgehend vollständig ausgraben. Insgesamt gelang es im Umfeld mehrerer Großsteingräber rund 80 Brandbestattungen und 500 Körpergräber des 6. bis 10. Jh. freizulegen, von denen circa die Hälfte beigabenführend war. Des Weiteren wurden fünf Pferdebestattungen nachgewiesen.
Die Belegung des Gräberfeldes begann vermutlich mit urnenlosen Brandgräbern und rechteckig oder kreisförmig angeordneten Pfostensetzungen. Auf einen Wandel im Bestattungsritus weisen die Süd-Nord orientierten Körpergräber hin, von denen sieben überhügelt waren. Zudem wurden drei Kammergräber nachgewiesen. Die Bestatteten wurden zumeist in Baum- oder Kastensärgen mit ihrer Kleidung sowie Geräten niedergelegt. Die letzte Belegungsphase ist durch einen erneuten Wandel im Bestattungsritus charakterisiert: Nun überwiegen in Ost-West Richtung angelegte Körpergräber, bei denen das Aufgeben der Beigabensitte auf die fortschreitende Christianisierung hindeutet.
Die Siedlung zu der die Bestattungsgemeinschaft von Elstorf gehörte, lag in direkter Nachbarschaft zum Gräberfeld. Durch einen Weg war das Gräberfeld zudem mit dem ebenfalls frühmittelalterlichen Gräberfeld von Ketzendorf verbunden. Auch diese Nekropole ist archäologisch untersucht worden, so dass sich im Projekt die Möglichkeit eines direkten Vergleichs der Bestattungstraditionen und der Einordnung der Gräberleder in die Kulturlandschaft bietet.
Die zahlreichen Blockbergungen einzelner anorganischer Funde ermöglichen es, eine Untersuchung der an ihnen erhaltenen organischen Materialien wie Textilien, Leder, Holz und Horn unter Laborbedingungen vorzunehmen. Somit wird ein einzigartiger Blick auf die Rolle von organischen Materialien im Begräbnisritual möglich.
In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten, dreijährigen Forschungsvorhaben wird Selina Pohl im Rahmen eines Promotionsprojektes die Befunde sowie Funde des Gräberfeldes analysieren und kulturhistorisch einordnen, um auf dieser Basis die Belegungsgeschichte zu rekonstruieren und die Bestattungsriten und -traditionen zu erforschen. Ein besonderer Fokus wird hierbei auf den organischen Bestandteilen der Grabausstattung liegen, bei deren Bearbeitung Selina Pohl von Christina Peek und Dr. Jochen Brandt (AMH) unterstützt wird.
Weitere Untersuchungen werden von Katrin Struckmeyer (Textilarchäologie), Ulrich Schmölcke (Archäozoologie), Felix Bittmann (Archäobotanik) sowie Swantje Grohmann (Anthropologie) durchgeführt.




Literatur
Brandt, J., 2008: J. Brandt, Begraben am Wegesrand. Ausgrabungen auf einem spätsächsischen Gräberfeld bei Neu Wulmstorf-Elstorf. Archäologie in Niedersachsen 2008, 136-140.
Brandt, J., Dörfler, W., Hüser, A., Richter, K., Subbert, J., 2011: Die spätsächsischen Gräber von Buchholz-Vaensen und Neu Wulmstorf-Elstorf – Neue Untersuchungen zum Frühmittelalter im Landkreis Harburg. Hammaburg N. F. 16, 2011, 159-192.
Brandt, J., 2016: J. Brandt, Das spätsächsische Gräberfeld von Neu Wulmstorf-Elstorf, Ldkr. Harburg. Siedlungs- und Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 39 (Rahden/Wstf. 2016) 213-226.
Brandt, J., 2022: J. Brandt, Die frühmittelalterliche Fibel aus Grab 478 des spätsächsischen Gräberfeldes von Neu Wulmstorf-Elstorf, Ldkr. Harburg. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 91 (Stuttgart 2022) 31-39.
Peek, C., Fischer, A., Brandt, J., 2023: Erste Ergebnisse der Untersuchungen an im Block geborgenen organischen Fundschichten aus Gräbern des spätsächsischen Bestattungsplatzes von Neu Wulmstorf-Elstorf, Ldkr. Harburg. Siedlungs- und Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 46, 2023, 191-223.
