Mittelalterliche Landschaftsentwicklung und Besiedlungsgeschichte der Marsch im Wangerland

Das Wangerland liegt in der Marsch nördlich von Wilhelmshaven. Hier erstreckte sich seit der Vorrömischen Eisenzeit die Crildumer Bucht, die im Mittelalter verlandete. In einem von der Gerd Möller-Stiftung, Wilhelmshaven, geförderten Projekt wurde durch Ausgrabungen in mehreren Wurten von 1990 bis 1997 untersucht, wie das Gebiet der ehemaligen Bucht im Zuge der naturräumlichen Veränderungen und der jetzt einsetzenden Eindeichung aufgesiedelt worden ist. Das Projekt wurde von Dr. J. Ey (Schwerpunkt Deichgeschichte) und Dr. E. Strahl (Schwerpunkt Besiedlungsgeschichte) geleitet.

Im Teilprojekt Deichgeschichte gelang es durch die Auswertung historischer Karten, die Interpretation von Luftbildern, die Kartierung von Deichresten im Gelände und die Anlage von Profilschnitten zahlreiche neue Erkenntnisse zum Verlauf und Aufbau der Deiche zu gewinnen. Auf diese Weise konnten bei Oldorf und Neuwarfen Ringdeiche identifiziert werden. Sie stellten als flurumfassende Deiche von ca. 1 m Höhe die erste Phase im Deichbau dar und sind offensichtlich im 11. Jh. ent­stan­den.

Sogenannte „Sietwendungen“, die wahrscheinlich kurz nach den Ringdeichen errichtet worden sind, kanalisierten das von der Geest kommende und über die Tiefs der Marsch durch den Deich in die Nordsee geführte Wasser. Sie endeten an quer durch die Crildumer Bucht verlaufenden Abschnittsdeichen. Mehrere Abschnittsdeiche kennzeichnen die einzelnen Phasen der nach Osten fortschreitenden Eindeichung der Bucht. Sie waren Vorläufer des ersten küsten­pa­rallelen Winterdeichs, der vermutlich im 13. Jh. errichtet worden ist. Er ist wie die Abschnittsdeiche heute verschwunden und kann nur mit Hilfe von Geländestufen („Poldertreppe“) rekonstruiert werden. Diese markieren die ehemaligen Deichlinien, von denen die Sedimentation der Nordsee begrenzt worden ist, und damit die zeitlich und räumlich gestaffelten Phasen der Bedeichung.

Wahrscheinlich aus dem 14. Jh. stammt der noch gut erkennbare „Altendeich“, ein ehemaliger küstenparalleler Winterdeich an der Straße von Hooksiel nach Horumersiel.

Bei den besiedlungsgeschichtlichen Forschungen konnte nachgewiesen werden, in welcher Weise dieser Raum in Abhängigkeit von der im 11. Jh. einsetzenden Eindeichung als Siedlungsland genutzt worden ist. Mit der Wurt Oldorf, die spätestens in der ersten Hälfte des 7. Jh. noch auf einer sich in die Crildumer Bucht hinein erstreckenden Landzunge aufgetragen worden ist, begann die Besiedlung. Die Wurt Neuwarfen lag im 9./10. Jh. bereits am Rand dieser Landzunge. Im hohen und späten Mittelalter waren Wurten wie Wüppels oder die Haukenwarf in die verschiedenen Deichlinien eingebunden, die somit die einzelnen Phasen der Landgewinnung kennzeichnen.

In Oldorf konnte auch einer der aus der Marsch noch wenig bekannten Bestattungsplätze in einem Ausschnitt freigelegt werden. Es handelte sich um ein Körpergräberfeld des frühen 9. Jh.

 

Literatur

Ey, J., 2007: Early dike construction in the coastal area of Lower Saxony. In: J. Beenakker, F. Horsten, A. de Kraker u. H. Renes (Red.), Landschap in ruimte en tijd. Liber amicorum aangeboden aan prof. dr. Guus J. Borger [Festschrift zum 65. Geburtstag von G. Borger], 92-99 u. 230. Amsterdam.

Strahl, E., 2004: Mittelalter im Wangerland. In: M. Fansa, F. Both u. H. Haßmann (Hrsg.), Archäologie„ Land„ Niedersachsen. 25 Jahre Denkmalschutzgesetz – 400 000 Jahre Geschichte, 534-541. Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 42. Stuttgart.Strahl, E., 2006: Wangerland. In: J. Hoops (Begr.), Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 33, 236-237. 2. Aufl. Berlin, New York 2006.